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Marcel Le Roy - Erinnerungen eines Inhaftierten

Der deutsche Gefangenenpriester Franz Stock - Erinnerungen eines Inhaftierten

Marcel Le Roy
Ansprache in der Kirche Saint-Jean-Baptiste in Rechèvres am 28.02.1998

Übersetzung: Barbara Wilms, Arnsberg

Seit meinen Inhaftierungen wußte meine Familie nicht, was aus mir geworden war, und meine beiden Schwestern fanden meine Spur dank des deutschen Gefangenenpriesters von Fresnes, Franz Stock.

Eines Morgens, im Mai oder Juni 1942, sah ich einen Unteroffizier der deutschen Wachmannschaft und einen anderen Deutschen, schwarzgekleidet in Zivil, in meine Zelle eintreten. Letzterer, blond, schüchtern und reserviert, kam auf mich zu:

„Ich bin der deutsche Militärgeistliche von Fresnes, sind Sie katholisch?"
„Ja."
„Wollen Sie mit mir beten?"
„Natürlich."
In einem sehr guten Französisch begann er:
„Gegrüßet seist Du, Maria ...", und zu meiner großen Überraschung fuhr er fort:
„Ich habe Ihre Schwester gesehen."
Wir beteten weiter.
„Wie geht es meinen Eltern und Geschwistern?"
„Gut, es geht allen gut."
Ich sah ihn an, glücklich und höchst erstaunt. Er nahm das Gespräch sofort wieder auf.
„Sehen Sie mich nicht so an, beten Sie, verstanden?"

Und wir fuhren fort mit diesem Gemisch aus Gebet und Unterhaltung. Ja, ich habe verstanden, daß ich zum ersten Mal einen Feind vor mir hatte, der es gut mit mir meinte. Dennoch war da nach seinem Besuch ein unbestimmtes Gefühl von Mißtrauen. War er wirklich ein Priester oder ein „Gefangenenspitzel“ im Dienste der Gestapo? Vorsicht war angesagt. Man würde sehen, denn er hatte versprochen, in einiger Zeit wiederzukommen.

Er kam tatsächlich mehrere Male wieder, stellte mir aber nicht die geringste Frage über meinen Fall. Es genügte ihm, mir zu sagen: „Sie werden viel Mut brauchen.“ Seiner Gewohnheit entsprechend, mischte er Gebet und Nachrichten meiner Familie, unter dem einfältigen Blick eines Aufsehers, der einen Meter entfernt von uns postiert war. Er überließ mir ein Buch „Jesus“ von Pater Sertillanges, das einzige, das ich in Fresnes lesen durfte. Am Ende kannte ich es auswendig.

Außergewöhnlicher Gefangenenseelsorger Franz Stock, der während des ganzen Krieges hindurch den Familien der Häftlinge einen Dienst erwies. Kriegsgefangener in Frankreich, interniert in einem Lager in Chartres , starb er einige Jahre später und wollte in dem Carré der Hingerichteten auf dem Friedhof von Thiais bestattet werden; zweifellos in Erinnerung an all jene, die er vor den Hinrichtungspfählen auf dem Mont Valérien begleitet und getröstet hatte.

All jene, die ihn wie ich gekannt haben, werden ihn niemals vergessen können. In Fresnes war er in unserem Leiden und unserer Einsamkeit ein Sonnenstrahl.

Durch Vermittlung des Gefangenenpriesters Stock und dank meiner Schwestern ist es einer Cousine aus Paris gelungen, mir ein paar kleine Päckchen mit Nahrung und sogar ein wenig Wäsche zukommen zu lassen. Welch ein Glück! Aber welche Überraschung auch, als ich eines Tages beim Pflaumenessen anstelle des Kerns eine winzige Nachricht von meinen Eltern fand. Die erste authentische Neuigkeit seit mehr als sechs Monaten, es war die Schrift der Mutter! Und -besser noch- sie wies mich darauf hin, daß ich im nächsten Päckchen eine neue, im Hemdkragen eingenähte Nachricht finden würde. Was auch eintrat, sich aber nicht wiederholte, denn es war das letzte Päckchen, das ich in Fresnes erhielt.

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