Ansprache des Chanoine Pierre Andre, Domherr der Kathedrale von Chartres, bei der Verleihung des Elise-Kühn-Leitz-Preises durch den Bundestagspräsindenten Dr. Jenninger am 1. Mai 1988 beim 33. Kongress der Deutsch-Französischen Gesellschaften in Arnsberg-Neheim.
[Übersetzung: Dieter Lanz]
Herr Präsident,
zu der Zeit, als er Apostolischer Nuntius in Frankreich war, hat seine Exzellenz Monsignore Roncalli, als er von Abbé Franz Stock sprach, gesagt: „Franz Stock, das ist nicht ein Name, das ist ein Programm.“
Das Verhalten dieses deutschen Priesters, dessen Gedächtnis wir in diesen Tagen in seinem Heimatland begehen, beweist es bis zur Gewißheit. Das Wort „PAX“, welches seinen Grabstein in der Kirche Saint-Jean-Baptiste in Chartres beherrscht, faßt in der Tat sein ganzes priesterliches Leben zusammen.
Apostel des Friedens
Heroischer Priester in seiner Nächstenliebe
Aufrichtiger Freund Frankreichs
Mittler der Versöhnung
Das ist sein ganzes Leben.
In dem gleichen Geiste in Frankreich:
Der General Boisseau, verantwortlich für alle Kriegsgefangenenlager nach dem Krieg, indem er die Zusammenlegung all der jungen Deutschen, die sich auf das Priestertum vorbereiteten, erlaubte,
Abbé Le Meur, indem er diese Zusammenlegung in die Tat umsetzte,
Der Kommandant Gourut, Leiter des Lagers 501 von Chartres, durch seine Güte,
Abbé Johner, sein Oberleutnant, verantwortlich für „Block I“ des „Kriegsgefangenen-Seminars hinter Stacheldraht“, durch sein Verständnis,
und seine Exzellenz, Monsignore Harscouët, der Bischof mit dem großen Herzen, der diese jungen Gefangenen anredete „meine lieben Kinder“.
Jeder hat in seiner Funktion für den Frieden und die deutsch-französische Aussöhnung gearbeitet. Es ist übrigens das, was Ihr Kanzler, Herr Konrad Adenauer, ausdrückte, dem Monsignore Harscouët, dem Kommandanten Gourut und mir selbst gegenüber im Verlauf eines Besuches, den wir ihm im Jahre 1952 abstatteten, mit diesen Worten:
„Sie haben durch Ihr Verhalten unseren gefangenen Soldaten gegenüber die Achtung und Zuneigung aller Deutschen gewonnen.“
Der Leichnam von Abbé Franz Stock in der Kirche Jean von Chartres, die Namen von 950 Zöglingen des „Seminars hinter Stacheldraht“, die der Altar dieser Kirche einschließt, stellen die unvergängliche Denkschrift dieser Versöhnung zwischen unseren beiden Ländern dar.
Dreißig Jahre vorher, zwischen 1914 - 1916, starb nicht weit von hier, in Meschede, in einem Lager französischer Kriegsgefangener nach zwei Jahren Gefangenschaft ein französischer Soldat, Vater von vier Kindern.
Als er sein nahes Ende fühlte, hatte er an seine Frau, meine Mutter, geschrieben:
„Ich sterbe in der Gefangenschaft, damit der Friede zwischen Frankreich und Deutschland verwirklicht werde. Während dieser zwei Jahre habe ich jeden Tag zum Herrn gebetet, daß Pierre Priester werde und Marie Ordensfrau. Bringt meinen Leichnam nicht nach Haus zurück. Ich will hier in Meschede bleiben, das ich als meine zweite Heimat anerkenne, da der Herr gewollt hat, daß ich von hier aus ihn wiedertreffe.“
Auf der Mauer zum Eingang des Gefangenenfriedhofs, wo er begraben war, ist dieser Satz in Französisch und in Deutsch eingemeißelt: „Fern vom Vaterland ruhet in Frieden.“
Meine Schwester ist Ordensfrau geworden, und mich hat der Herr in seinen Dienst gerufen. In dem gleichen Geiste meines Vaters habe ich für die Versöhnung zwischen unseren beiden Ländern gearbeitet.
Durch den Umgang mit Abbé Franz Stock, Abbé Wilhelm Delbeck und mit all ihren Schülern, von denen ihr waret:
Monseigneur Emil Stehle,
Monseigneur Raimund Winkelhofer
und ihr, liebe Freunde:
Dieter Lanz, Franz Zimmermann und Pater Anselm,
und ich will diesen Freunden den Pater Closset hinzufügen, der, als er Seelsorger der Gemeinde Saint-Jean-Baptiste von Chartres war, die Kirche gebaut hat, wo der Leichnam von Abbé Franz Stock ruht, ja, durch den häufigen Umgang mit euch, im Laufe der Besuche, die ich euch im Lager, dem „Stacheldrahtseminar“ abstattete, habe ich gelernt, euch besser zu kennen, euch zu schätzen und euch zu lieben.
Auch danke ich der Vorsehung, die mich zu diesem Apostolat der Versöhnung und des dauerhaften Friedens zwischen unseren beiden Ländern berufen hat.
Ich grüße hier ganz besonders die Brüder und Schwestern und die Eltern von Abbé Franz Stock, die für mich wahre und aufrichtige Freunde sind.
Ich grüße den Weihbischof von Paderborn.
Ich danke Ihnen Monsignore Bischof von Chartres, der Sie uns in diesem Geiste der Freundschaft und der Versöhnung ermutigt haben, indem Sie bei unseren Treffen der „Chartrenser“ in Fulda, Chartres, Salzburg und Aachen teilgenommen haben.
Ich grüße den Herrn General, den Oberkommandierenden der französischen Armee in Deutschland.
Ich grüße den Herrn Bürgermeister von Arnsberg.
Ich danke dem Franz-Stock-Komitee, das durch seine Aktivitäten nicht nur die Freundschaft zwischen uns aufrechterhält, sondern noch weiterentwickelt.
Empfangen Sie schließlich, Herr Präsident, den Ausdruck meiner aufrichtigen Dankbarkeit für diesen Preis ELSIE-KÜHN-LEITZ, der mir zuerteilt ist.
Herzlichen Dank.